Schrottgrenze


Schrottgrenze

SCHROTTGRENZE: Im queeren Power-Pop zuhause

Die 1994 von Saskia Lavaux (Gesang, Gitarre) und Timo Sauer (Gitarre, Gesang) in Peine gegründete Band Schrottgrenze hat bis heute einige Besetzungs- und Stilwechsel durchlebt. Komplettiert wird das seit über 20 Jahren in Hamburg beheimatetet Quartett von Hauke Röh (Bass, Gesang) und Lars Watermann (Schlagzeug). Ihrer umfangreichen Diskografie haben sie im Februar mit „Das Universum ist nicht binär“ (Tapete Records/Indigo) ein neues Album hinzugefügt. Zusammen mit Saskia lassen wir die Geschichte der Band Revue passieren.


Die Geschichte der Band ist über die Jahre und zwei Pausen hinweg von unterschiedlichen Stilen und Besetzungen geprägt worden. Kannst Du diese Wechsel bitte kurz skizzieren?

Musikalisch war es Emo-Deutschpunk in den 1990er Jahren, dann waren es Indierock-Experimente in den 2000ern und mittlerweile sind wir seit 2017 im queeren Power-Pop zuhause, der ab und an auch noch auf Indie-Rock und New Wave zugreift. Es gab Synthesizer, orchestrale Arrangements und klassische Chöre. Wir haben uns nie von der Musikindustrie, einer bestimmten Szene oder kommerziellen Erfolgsansprüchen abhängig gemacht und sind stets unseren gemeinsamen thematischen und musikalischen Vorlieben gefolgt.


Zwischen 2000-2002 und 2010-2016 hat die Band aber pausiert. Waren diese Zeiten denn für Dich und Timo überbrückbar ohne Schrottgrenze?

Wir waren immer auch in andere musikalische Projekte involviert und haben unseren Lebensunterhalt durch Theatermusik und Verlagsmusik bestritten.


Wenn Du heute auf eure umfangreiche Diskografie zurückblickst, welche Meilensteine musst Du dann auf jeden Fall nennen, abgesehen vom Debüt „Auf die Bärte, fertig, los!!!“ (1995)?

„Das Ende unserer Zeit“ (Weird System), mit dem wir einem breiteren Publikum bekannt wurden. Im Anschluss „Château Schrottgrenze“ beim Major Motor Music, was uns durch den Produzenten Tobias Levin (unter anderem Tocotronic) und die längere Studiozeit künstlerisch nach vorne gebracht hat. Und die Zusammenarbeit mit Tapete Records seit 2017 läuft sehr gut, die Firma hat Lust auf uns und unsere Sachen und steckt viel Energie und Liebe in ihre Arbeit.


Gibt es eine Arbeitsteilung zwischen dem Schreiben der Musik und den Texten bei Schrottgrenze?

Die Texte schreibe schon ich, aber sie werden im Kollektiv besprochen und ggf. auch verändert. Ich mache den Aufschlag und die anderen kommentieren. Das ist auch bei der Musik so. Wir wollen weg von diesem Bestimmen durch eine Person. Der Anspruch an die eigene künstlerische Unabhängigkeit ist ständig gewachsen.

Kommen wir auf die aktuellen Texte der Songs zwischen dem titelgebenden Opener und „Lieber Regen“ zu sprechen. Die queere Trilogie findet hiermit ihren Abschluss. Themen wie gleichgeschlechtliche Liebe, Rassismus, oder die Dekonstruktion von Geschlechterstereotypen stehen weiterhin im Vordergrund?

Ob nun Unterhaltung, Infotainment oder politische Inhalte, es liegt immer im Auge der BetrachterInnen. Selbst Schlager sind ja oft politisch hinsichtlich ihrer Standpunkte. Natürlich schließen wir kein Publikum bei unseren Shows aus und freuen uns über alle die zu Schrottgrenze kommen und sich lebensnah mit unseren Texten über Queerness, Feminismus oder kritische Männlichkeit auseinandersetzen.


Produziert hat erneut Christian Kühl, der Mix aber wurde Oliver Zülch überlassen, den man von Acts wie die Ärzte oder Sportfreunde Stiller kennt, richtig?

Ja, genau. Den kannten wir schon persönlich und wollten ihn haben. Er hatte Lust drauf und ist ein echt fähiger Typ.


Stichwort Videos. Zum zehnten Album darf das Metier nicht fehlen, es gab bereits einen Dreh zu der Auskopplung von „Dysphorie“ und ein Video zusammen mit Finna zum Titel „Happyland“. Fluch oder Segen?

Wir sind da sehr engagiert, vor allem aus dem Grund, dass es heute viel einfacher ist Videos zu drehen als früher. Und weil wir viele Personen in unserem Umfeld haben, die dazu einen engen Bezug pflegen. Auch wenn große Plattformen wie MTV oder VIVA mittlerweile Geschichte sind. Was Social Media angeht, setzen wir viel auf Instagram, da haben wir kürzlich eine gut angenommene Talkreihe produziert, aber TikTok ist wiederum nicht unser Ding.


Schrottgrenze waren auch immer eine Liveband. Wie sieht die Planung für 2023 aus?

Im April geht es auf eine Clubtournee, dann folgen einzelne Shows und Festival-Auftritte. Und im Oktober geht es nochmals auf eine Clubtournee. So kommen wir wohl wieder auf mehr als 30 Konzerte in diesem Jahr, siehe unsere Webseite.


Abschließend noch eine Frage zu Deiner eigenen queeren Transformation, die zu Zeiten der Bandgründung als Alex Tsitsigias begann. Gibt es heute eine Trennung zwischen privater und öffentlicher Saskia?

Die gibt es definitiv. Im Alltag laufe ich ja nicht als Drag Queen umher, sondern trage Unisex- oder Frauenkleidung. Auf der Bühne sind dann natürlich viele modische Showelemente in die Performance eingebaut, das Make Up spielt eine ebenso wichtige Rolle.


Text: Frank Keil Bilder: Chantal Pahlsson

schrottgrenze.de