Herwig Mitteregger, Bernhard Potschka und Manfred Praeker lernten sich in der Politrockband Lokomotive Kreuzberg kennen. Zusammen mit Reinhold Heil, damals aktiv in der Jazz-Formation Bakmak, und Nina Hagen wurden sie ab 1978 als Nina Hagen Band bekannt und veröffentlichten zwei Alben. Nach der Trennung machten sie mit breiterem musikalischem Spektrum als Spliff weiter. Sie existierten von 1980 bis 1985 und veröffentlichten in dieser Zeit fünf Alben, die Ende November 2024 von Sony Music wiederveröffentlicht wurden. Den unterhaltsamen Blick zurück unternahmen wir mit Sänger/Keyboarder Reinhold Heil, dem musikalischen Multitalent, der seit 1997 unter anderem durch seine Film-Soundtracks für Tom Tykwer und Johnny Klimek („Lola rennt“, „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“) weltbekannt wurde. Zuletzt erhielt er 2023 den Deutschen Filmmusikpreis.
Welche Künstler und Bands haben Dich als Jugendlichen inspiriert selber professionell Musik zu machen? Du bist ja 1954 im hessischen Schlüchtern geboren.
Wie bei vielen meiner Generation die Beatles und die Rolling Stones. Später dann Jazzrock, Miles Davis und Frank Zappa.
Du hast in den 1970er Jahren ein Tonmeisterstudium in Berlin absolviert, inwiefern hat es Dir für Deine Karriere weitergeholfen?
Ja, ich habe im Sommer 1979 abgeschlossen, ca. sechs Wochen nachdem es zum Split der Nina Hagen Band kam. Für mich war das Studium Mittel zum Zweck, unterstützt von meinem Vater.
Du warst zunächst Mitglieder der Jazzband Bakmak, dann 1978/1979 bei der Nina Hagen Band, die deutschsprachigen Punkrock spielte. Warum kam es damals zur Trennung und hast Du heute noch Kontakt zu ihr?
Auf den kometenhaften Aufstieg folgte Ernüchterung. Wir waren eigentlich alle zu gut für Punk. Da wäre mehr drin gewesen, aber auf der Europatournee 1979 kam es zum Bruch und die zweite LP „Unbehagen“ haben wir komplett ohne sie eingespielt. Ihr Gesang wurde später eingefügt. Wir trennten uns, wurden zu Spliff und sie machte solo weiter. Bis heute hatte ich aber immer wieder Kontakt zu ihr, die Wiedersehen waren freundschaftlich.
Für fünf Jahre und fünf Alben. Musikalisch mit Rock, Funk, Elektronik auf Deutsch und auf Englisch. Richtig?
Ja, Keyboardsounds und elektronisches Schlagzeug wurden zu unserem Markenzeichen. Zunächst auf Englisch mit dem australischen Sänger Alf Klimek, DJ und Sängerinnen als Spliff Radio Show, dann ab 1982 mit „85555“ bis zum Ende auf Deutsch.
Wie bewertest Du heute die Entwicklung vom Debüt „The Spliff Radio Show“ über „855555“ , „“Emergency Exit („85555 International“), „Herzlichen Glückwunsch“ bis hin zu „Schwarz auf weiß“?
Eine schnelllebige Zeit mit eigenem Studio, die rasch vorbeiging. Mit Musik zwischen Deutschrock und Neue Deutsche Welle, obwohl uns diese Kategorisierung immer gestört hat. Aber mit Hits wie „Carbonara“ und „Das Blech“ gehörten wir irgendwie doch dazu. 1985 kam es aufgrund musikalischer Differenzen und verschiedener Solo-Projekte der einzelnen Mitglieder dann zur Trennung.
Gefallen Dir heute noch die größten Hits wie „Heut´ Nacht“, „Carbonara“, „Déjà vu“ und „Das Blech“ die nach wie vor auf keiner 1980er Jahre Retro-Party fehlen dürfen?
Musikhistorisch haben wir unseren Duft hinterlassen, auf den man schon ein wenig stolz sein kann. Inwieweit das heute noch von Bedeutung ist, werden die Vinyl-Wiederveröffentlichungen und die Bereitstellung des kompletten Back-Katalogs auf allen gängigen Streaming-Plattformen zeigen. Der zuständige Label-Manager kommt aus dem HipHop, ist 1985 geboren und kannte Spliff nicht mal, hat sich aber sehr engagiert.
1982 bis 1986 hast Du zusammen mit dem Spliff-Bassisten Manfred Praeker zwei Nena-Alben produziert. Wie kam es dazu?
Ich war im CBS-Büro in Frankfurt auf die Stripes gestoßen und als sie später zum Teil in Berlin waren, wurde ich kontaktiert. So kam es für drei Alben zur Zusammenarbeit als Produzent.
Nach der Spliff-Trennung 1985 hast Du Deine musikalische Karriere nahtlos fortgesetzt, zunächst mit Froon und Cosa Rosa mit Deiner langjährigen Lebensgefährtin Rosa Precht, der Keyboarderin der Ulla Meinicke Band. Hat ihr Krebs-Tod 1991 eine Neuorientierung in Deinem Leben bewirkt?
Sie war seit 1984 bereits chronisch krank und ein Jahr nach ihrem Tod bin ich eine neue Beziehung zu einer jungen Amerikanerin eingegangen. Ich bin dann in die USA ausgewandert und habe zwei Söhne bekommen. Im Nachhinein eine merkwürdige Übergangszeit, in dem ich ein Album geschrieben habe, dass ich dann doch nie veröffentlichte.
Seit Ende der 190er Jahre bist Du erfolgreich in den USA als Filmkomponist tätig, unter anderem für „Lola rennt“ und „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“. Wo lebst Du aktuell und woran arbeitest Du gerade?
Ich bin von Santa Barbara über Los Angeles nach Hawaii gezogen und plane mit meiner zweiten Frau gerade einen dauerhaften Umzug nach Florenz. Die richtige Entscheidung zum 70. Geburtstag. Zuletzt habe ich am Soundtrack zur Fernsehserie „Concordia – Tödliche Utopie“ (SkyShowtime) gearbeitet, die im Genre Science-Fiction/Thriller angesiedelt ist.
Neben dem Künstler Reinhold Heil gibt es auch die Privatperson. Wobei entspannst Du abseits der Musik?
Ich entspanne eigentlich gar nicht so gerne. Wenn die Suche nach einer neuen Bleibe abgeschlossen ist, freue ich mich darauf, wieder ein neues Studio einzurichten.
Text:
Frank Keil Bilder: Sony Music